Georg K. Glaser

Schriftsteller und Buntschmied

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Georg K. Glaser wurde am 30.5.1910 als Sohn des Postbeamten Georg Glaser und dessen Ehefrau Katharina, geb. Stallmann, in Guntersblum, in der Viertelstraße geboren. Die Familie hatte acht Kinder und lebte in ärmlichen Verhältnissen. Georg Glaser verbrachte nur die ersten Jugendjahre in Guntersblum, dann zog die Familie nach Worms. Der Vater war, nach Glasers Schilderungen, ein sehr autoritärer, brutaler Mann, unter dem der Junge viel zu leiden hatte. Im Vater erblickte er das Urbild des Bösen. An seine Mutter und die Großeltern in Dolgesheim hatte er dagegen sehr gute Erinnerungen.

Mit 16 Jahren entfloh er dem väterlichen Terror, trieb sich als Halbwüchsiger unter Tippelbrüdern, Obdachlosen und Dirnen abenteuerlich auf Landstraßen und in Städten herum. Während dieser Zeit griff man ihn mehrfach auf. Man wies ihn in eine Fürsorgeanstalt ein. Er riß immer wieder aus, um schließlich im Gefängnis zu landen.

Als er mit 19 Jahren entlassen wurde, hatte er zu schreiben begonnen, weil er auf diese Weise seine Gedanken am besten ausdrucken konnte. Unter anderem war er als Gerichtsreporter für die kommunistische Presse tätig. Er schrieb für die »Frankfurter Zeitung« und für die »Linkskurve« kleine Erzählungen. 1932 erschien in Berlin sein erster Roman »Schluckebier«, in dem er die Erlebnisse dieser Jahre verarbeitete. Nach einer so negativ geprägten Kindheit fühlte Glaser sich als jugendlicher Rebell von anarchistischen und kommunistischen Verbänden, bei denen er Anerkennung fand, angezogen. Er engagierte sich politisch gegen den Nationalsozialismus, wurde verfolgt und ging 1933 ins Saargebiet, das damals noch unter der Verwaltung des Völkerbundes stand. Auch dort kämpfte er gegen den Nationalsozialismus, kam ins Gefängnis und emigrierte 1935 nach Paris. Dort arbeitete er als Kesselschmied in den Werkstätten der französischen Staatsbahn. Weil er als ausgebürgerter Saarflüchtling in Frankreich staatenlos war, ließ er sich einbürgern.

In der 30er Jahren, noch vor den großen stalinistischen Schauprozessen in Rußland, brach er mit der KPD. Die kommunistische Partei, bei der er eine Heimat zu finden hoffte, hatte ihn zutiefst enttäuscht, nachdem er feststellen mußte, daß die Partei ihre besten Leute verriet und vernichtete.

1939 wurde er in Frankreich kriegsdienstverpflichtet. In diesem Jahr heiratete er auch seine erste Frau Madeleine. Als französischer Soldat geriet er 1940 bei Brest in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er verbrannte seine Papiere, nahm einen fremden Namen an und kam als Zwangsarbeiter- nach Deutschland. Ende 1943 befand er sich in einem Straflager bei Görlitz. Von dort floh er im Winter 1943/44. Kommunistische Genossen gewährten ihm Unterschlupf. Auf der weiteren Flucht wurde er im Elsaß verraten und verbrachte dann die Zeit bis zum Kriegsende in verschiedenen süddeutschen Gefangenenlagern, wo ihn die Amerikaner befreiten.

Bei Kriegsende 35 Jahre alt, kehrte er wieder nach Paris zu seiner Frau zurück. Im Nachkriegsfrankreich erlebte er das Land im Denunzierungsrausch und sah die Lynchjustiz von Franzosen an Franzosen, die für Kollaborateure gehalten wurden. Immer und überall Gewalt von Menschen an Menschen. Er meldete sich bei der zuständigen Behörde, erzählte von seinem Schicksal und wollte seinen rechtmäßigen Namen wieder haben. Man schickte ihn von Instanz zu Instanz und steckte ihn zuletzt wieder ins Gefängnis.

Er wurde schwer krank. Die entbehrungsreichen letzten Jahre forderten ihren Tribut.Später fand er wieder Arbeit bei Renault in Paris am Fließband. Aber die Maschinenwelt der Großindustrie stieß ihn ab, weil sie nach seiner Meinung »von der Erde nimmt, ohne zu geben«.

In den Nachkriegsjahren wurden seine beiden Kinder René und Catherine geboren. Er begann, das Buch »Geheimnis und Gewalt« zu schreiben. Es trägt stark autobiographische Züge. Auch hier verarbeitete er wieder die Erlebnisse und Erkenntnisse der vergangenen Jahre. Es fand bei Kritikern und Journalisten großen Beifall. Er war ja ein Autodidakt. Der »Spiegel«-Autor und Publizist Erich Kuby verwies auf die ganz eigene Sprache Glasers, ein bis dahin unbekanntes, ein sozusagen selbsterfundenes oder gefundenes Deutsch, in dem er »die Wirklichkeit in einem ganz neuen Licht erscheinen ließ, als sei sie von ihm neu geschaffen worden«.

Der »Welt«-Journalist und Kulturkritiker Jürgen Serke schrieb in einem Artikel: »In der deutschen Literatur gibt es kein Buch, das so einleuchtend darstellt, warum die einen in den 30er Jahren zu den Nationalsozialisten gingen und die anderen zu den Kommunisten. «

Der Literaturkritiker Wolfgang Diehl schrieb über Glasers Bücher: »Kein deutschsprachiger Autor hat auf vergleichbaren Spuren diese Jahre durchschritten und reflektiert«.

»Geheimnis und Gewalt« fand in Deutschland zunächst einmal keinen Verleger und erschien 1951 in französischer Übersetzung. Auf deutsch erschien es erst 1953 bei »Scherz & Goverts«. Mehrere Verlage druckten das Buch, doch mit sehr geringem Erfolg. Bis 1993 erlebte es zehn Auflagen, konnte sich aber trotz Kritikerlob nicht durchsetzen. Erst spät begann das Interesse zu wachsen, vor allem bei der jüngeren Generation. Sie füllte auch bei den Vorlesungen, die Glaser später hielt, die Säle.

In den 60er Jahren gründete er eine kleine Kupfer und Silberschmiedewerkstatt in St. Germain-des-Pres, von wo er 1968 umzog in den Pariser Stadtteil Marais, in die Rue Beautreillis No. 9. Die individuelle Arbeit an Einzelstücken lag ihm mehr als die Fließbandarbeit. »Statt einen Artikel 1000mal herzustellen, habe ich 1000 Artikel einmal hergestellt«, sagte er. Neben Schalen und Kannen fertigte er viele Hauszeichen für sein Viertel, aber auch größere Aufträge, wie einen »Pelikan« im Stil des Mittelalters für die Kathedrale von Bourges oder »Die denkende Hand« für das Haus Schloßplatz 1 in Höchst/ Main.

1969 heiratete Georg Glaser seine zweite Frau Anne. Die erste Frau war Anfang der 60er Jahre gestorben. Anne arbeitete mit ihm in der Werkstatt und stellte Silberschmuck her.

In all den Jahren hat Glaser nie seine schriftstellerischen Ambitionen aufgegeben. Immer wieder brachte er seine Gedanken zu Papier. So entstanden noch folgende Bücher: »Marius van der Lubbe«, ein Drama über die Alleintäterschaft des Reichstagsbrandstifters, eines Menschen, der zwischen die politischen Lager geraten war, »Die Geschichte des W« , über den Massenmörder Weidmann, »Aus der Chronik der Rosengasse«, eine glänzende Milieustudie über das jüdische Viertel in Paris, und 1985 »Jenseits der Grenzen«, die Fortsetzung seines Romans »Geheimnis und Gewalt«. Diese beiden Bücher hat der Verlag Stroemfeld - Roter Stern, Basel, 1989 neu und ungekürzt herausgebracht.

Eines Tages kamen Guntersblumer Leser seines Buches nach Paris und besuchten Georg Glaser. Jahrzehnte war er seinem Geburtsort ferngeblieben. Nun waren wieder Kontakte zur alten Heimat geknüpft. Seit 1975 kam er dann regelmäßig zu Bekannten und Verwandten nach Guntersblum und Dolgesheim.

Im Oktober 1992 hat Rheinland-Pfalz dem lange vergessenen Schriftsteller den Verdienstorden verliehen. Im November des gleichen Jahres erhielt er die Ehrengabe der Schillerstiftung in Weimar. Am 19.5.1994 wurde er mit dem Pfalzpreis für Literatur geehrt.

Am 18.1.1995 starb Georg K. Glaser in Paris im Alter von 84 Jahren an Herzschwäche. Er wurde auf dem Pariser Friedhof »Père La-Chaise« beerdigt.

Nach Auskunft seines Nachlaßverwalters Michael Rohrwasser von der FAZ beginnt sein letzter Text: »Meine Tage sind gezählt. Das hat die grausame Nacht in E. mich gelehrt. Seitdem vermindert sich die zugemessene Frist um jeden Tag, den ich hinter mich bringe.«